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        Henry van de Velde, 1905
   
 
        Van de Velde im Studio, 1907
   
             www.henry-van-de-velde.com
   
   
   
 
Henry van de Velde - Leben und Schaffen
 
Im Jahre 1933 sagte Minister Camille Huysmans in der Geburtstagsrede anlässlich des 70. Geburtstages von Henry van de Velde: "Henry van de Velde ist nicht nur ein großer anerkannter Künstler, sondern auch einer der anderen den Weg geebnet hat. Wir kennen seine Werke. Sie zeichnen sich durch logische Konstruktion aus, was einen ästhetischen Erfolg mit sich bringt. Henry van de Velde befreite uns von der zerstückelten Form, von den Ornamenten, die so oft ohne Rücksicht auf die Struktur verwendet werden. Er brachte uns auf den Weg der edlen Linie und der reinen Einfachheit."

Es ist nicht nur ein Kompliment, sondern eine treffende Definition des Schaffens des großen Künstlers. Das lange und intensive Leben von Henry van de Velde lässt sich nicht so einfach zusammenfassen. Seine Europareise kann in fünf Zeitabschnitte unterteilt werden, den belgischen, den deutschen, den schweizerischen, den niederländischen und nach Jahren wieder den belgischen. Sein vielseitiges Schaffen (Architektur, Möbelentwürfe, Stoffmusterentwürfe, Keramikarbeiten, Metallplastiken und Arbeiten in der Kunsttheorie) bleibt noch für lange Zeit die Inspirationsquelle für zahlreiche Studien. Bis jetzt sind viele Publikationen über sein Werk erschienen.

Henry van de Velde ist als siebtes Kind von acht Kindern in einer bürgerlichen Familie (sein Vater war Chemiker) 1863 in Antwerpen geboren. Zuerst deutete alles darauf hin, dass der junge Mann eine typische Laufbahn seines Milieus beschreiten würde. Seine Vorliebe zum Abenteuer widersprach jedoch den damaligen Erwartungen. Obwohl sich Henry van de Velde mehr für Musik interessierte (der Komponist Peter Benoit war der Freund der Familie), nahm er das Studium an der Akademie der schönen Künste in Antwerpen auf. Er studierte verschiedene Zeichentechniken. Auf die Bitte von Charles Verlat, des Direktors der Akademie, setzte Henry van de Velde sein Studium in dessen Privatwerkstatt fort. Von seinen Jahren an der Akademie sagte Henry van de Velde später: "Es war eine bittere und verlorenen Zeit. Das akademische Studium war schwer und ergebnislos. Wie weit war es von dem Abenteuer und der Unabhängigkeit, die das Wesentliche der Kunst ausmachen, entfernt."

Im Jahr 1884 sah er das Werk von Monet "Bar aux Folies Bergère" auf einer Ausstellung in Antwerpen. Das Werk übte einen so großen Eindruck auf ihn aus, dass er seinen Vater um die Erlaubnis bat, in Paris studieren zu dürfen. Mit 21 begab er sich in die Hauptstadt Frankreichs. Er lernte dort in den Werkstätten von Bastien Lepage und Carolus Duran. Zuerst von der Barbizon-Schule begeistert, kehrt er enttäuscht nach Antwerpen zurück. Der Maler Emile Claus schlug ihm einen Besuch in Wechelderzande vor, wo sich große belgische Künstler angesiedelt hatten. Van de Velde beabsichtigte dort einen Kurzaufenthalt, blieb aber vier Jahre lang in dem Dorf. Dort kam er in engen Kontakt mit dem Landleben, mit dem er schon früher in Barbizon in Berührung gekommen war. Während des Aufenthaltes schrieb er ein Essay unter dem Titel "Du paysan en peinture" (historisch-ästhetische und soziologische Analyse) und schuf eine Serie von Bildern und Pastellen. Der Aufenthalt in Wechelderzande übte einen bedeutenden Einfluss auf das Werk von Henry van de Velde aus. Er schrieb: "In den weit gelegenen Dörfern in der Tiefebene Campine las ich und dachte nach. Meine Gedanken brachten mich von meinen früheren antigesellschaftlichen Malereiformen und vom Künstlerleben, das ich kannte, ab. Nur derjenige, der allen hilft, ist nützlich, so sagen mir mein Herz und mein Verstand."

Van de Velde legte in seinen früheren Malwerken und Zeichnungen einen großen Wert auf die flachen Oberflächen, die er harmonisch zu beleben versuchte. Eine ähnliche Einstellung hatte er zu dem Raum in der Architektur und in der Gebrauchskunst. Ohne von der Qualität seiner Zeichnungen aus dieser Zeit zu sprechen, stellt man fest, dass die Zustimmung für seine Ästhetik zunahm. Im Jahre 1884 wandte er sich für immer von der Malerei ab. Im Herbst 1888 wurde er Mitglied der Brüsseler Avantgardistengruppe "Les XX". Es fing eine neue Etappe seines Lebens an, ein neuer Weg, den er zu beschreiten begann. Während der Ausstellung der Gruppe "Les XX" wurden lediglich Malwerke gezeigt. Jedoch wuchs seit 1891 das Interesse an dem Kunstgewerbe. Jules Cheret stellte seine Plakate aus, Walter Crane Kinderbücher und Gaugin hatte seine erste Keramikausstellung, und A. W. Finch neben seinen Malwerken auch die ersten Keramikarbeiten. In dieser Zeit verkaufte man in Brüssel ganz seltene Produkte der britischen Firma Liberty. Der Laden, der "Compagne Japonaise" gehörte, verkaufte lackierte Tische, Teppiche, Künstlerglas und Tafelgeschirr. A. W. Finch machte als erster Henry van de Velde mit den Ideen von Ruskin und Morisson bekannt. Van de Velde interessierte sich besonders für den gesellschaftlichen Aspekt ihrer Arbeiten, für den Kampf um die Anwesenheit des Handwerkes und der Kunst im alltäglichen Leben des Menschen. Seine persönlichen Kontakte mit führenden Sozialisten, Emilia Vandervelde und Max Hallet schärften seine Sensibilisierung für die Integration der Kunst in das gesellschaftliche Leben.

 
  Engelswake, 1892
Das Jahr 1893 war für Henry van de Velde besonders wichtig, sowohl in dem künstlerischen, wie auch im privaten Leben. Im Winter 1892/ 93 fertigte seine Tante nach seinem Entwurf eine Stickerei mit dem Titel "Engelwake". Die Arbeit wurde 1893 auf der Ausstellung "Les XX" gezeigt.

Auf dem Empfang bei Theo van Rysselberghe lernte van de Velde seine junge Schülerin kennen. Es war Maria Sethe, Tochter eines wohlhabenden Industriellen aus Uccle (Brüssel). Als sie von seinen Interessen an Kunst und Handwerk erfahren hatte, versprach sie ihm, über die künstlerischen Neuigkeiten aus London zu berichten. Dank diesen Kontakten konnte van de Velde eine seiner ersten Sammlungen von Metallarbeiten und andere Werke im Geiste der fortschrittlichen englischen Gebrauchskunst ausstellen. Im Oktober 1893 fing van de Velde einen Vortragszyklus an der Kunstakademie in Antwerpen an, den er mit eigenen Arbeiten illustrierte.

In seiner Autobiographie schreibt er über die eigenen Vorträge an der Kunstakademie: "Anhand der Reproduktionen und Originale, über die ich verfügte, analysierte ich verschiedene Kunst- und Handwerksrichtungen - und die Entwicklung verschiedener Techniken, die einen Beitrag bei dem Übergang von der Hand- in die Massenproduktion leisteten. Es war eine Revolution. Selbst Ruskin konnte es mit seiner exzentrischen Haltung nicht stoppen. Man hatte die Maschinen wegen der Verbreitung von Hässlichkeit ungerechterweise angeklagt. Es zeigte sich nun, wie geldgierig die Industriellen gewesen waren, da sie den Markt mit Massenprodukten beherrschen wollten." Henry van de Velde meinte: "Der gute Ruf der Industriellen wird zukünftig von dem ästhetisch-moralischen Wert der in den Fabriken hergestellten Produkten abhängen."

Seine Anschauungen verkündete er in der Vortragsreihe über die Verzierung in der Industriekunst. Diese Reihe an der "Neuen Universität" zu Brüssel bildete die Grundlage seiner ersten 1884 erschienenen Veröffentlichung "Unterordnung der Kunst" ("Deblaiment d’art"). Sie zählte 33 Seiten und wurde in beschränkter Auflage von 150 Exemplaren herausgegeben. Es war ein typographisches Meisterwerk und zugleich ein leidenschaftlich verfasster Aufruf zur Wiederkehr der Kunst, "die zur Überwindung der eigenen Eitelkeit und der Verachtung der künstlerischen Suche nach Funktionalität strebe. Wir arbeiten uns tot, wir versuchen in dieser Langeweile zu lächeln".

Am 30. April 1894 heiratete Henry van de Velde Maria Sethe. Das Ehepaar zog in das Haus von Marias Mutter ein. Henry van de Velde machte seine ersten Schritte in der Architektur im Auftrag seiner Schwiegermutter, er durfte einige Änderungen in dem Haus durchführen. Für seine Schwägerin Irma entwarf er sein erstes Kunstgewerbeprojekt, einen Satz Möbel. Den Bau seines ersten Zuhauses auf einem in der Nähe gelegenen Grundstück hat er auch seiner Schwiegermutter zu verdanken. Bloemenwerf (1895-96) hieß das Haus als Erinnerung an ein Landshaus, das er während der Flitterwochen in den Niederlanden gesehen hatte. Ohne jegliche architektonische Vorbereitung schuf van de Velde ein Werk, das eine Widerspiegelung seiner theoretischen Anschauungen mit sich brachte: radikale Abkehr von jeglichem früherem Stil, Erweiterung der Wohnfläche, Einheit, Sparsamkeit und Verbundenheit der Architektur mit der Gebrauchskunst sollten gezeigt werden. Heute ist es ein Werk, das für sich selbst plädiert. Aber im Jahre 1895 war es ein Objekt der Verspottung und Kontroverse. Obwohl das Landhaus Bloemenwerf von außen einem englischen Haus in gewissem Maße ähnlich war, war es jedoch ein revolutionäres Projekt. Das Haus enthielt nach der Meinung van de Veldes etwas, was über Logik und Einfachheit stand, etwas, was sowohl die Architekten als auch das Publikum in Verwunderung versetzte: "Eine untypische Hausfassade und Form, fehlende Symmetrie an den Fenstern und bei der Dachform konnten nicht verziehen werden. Man konnte keinen bestimmten Stil erkennen, es gab dafür keine Entschuldigungen: weder Geldmangel noch Sparsamkeit". Das erste architektonische Werk von van de Velde konnte mit Sicherheit als vollkommen betrachtet werden. Es ist auch anders als sein späteres Gebäude in Hogenhof (Hagen, 1907). Das Haus in Bloemenwerf verwirklichte in der Praxis die theoretischen Anschauungen van de Veldes über Kunst. Sie werden durch die überlegte Linienführung deutlich, die ein Novum an sich bedeutet.

Für Bloemenwerf entwarf Henry van de Velde nicht nur das Haus selbst, sondern auch die Möbel: "Ich dachte an alles, was vollkommen ist, an alles, was mit Sentimentalität belastet wird, an alles, was man einfach mit dem Verstand fassen kann. Unsere Möbel schienen mir ideal zu sein, schlicht, ohne überflüssige Verzierungen bringen einen auf den Gedanken, in eine frische ferne Ecke eines sonnigen Tals versetzt zu sein. In ihrer stilistischen Einfachheit bilden sie eine Herausforderung gegenüber den in den Antiquitätenläden angehäuften Gegenständen gegenüber. Glänzend lackierte, aus Eschenholz gefertigte Möbel mit überlegten Details sättigten die Augen und den Geist. Heute würden sie niemanden in Verwunderung versetzen, aber in der damaligen Zeit war dieser Stil ein Ereignis".

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