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Das Portrait von Henry van de Velde in der ihm gewidmeten Stube
   
 
Henry van de Velde in Polen - die Wiederentdeckung eines Kunstwerkes
 
Entdeckungen sind oft von Zufällen begleitet gewesen - und so erging es auch mir mit der von Henry van de Velde entworfenen Innenausstattung des früheren Sanatoriums in Trebschen, dem heutigen Trzebiechów.

Mein Großvater Dr. Curt Schelenz war von 1920 bis 1945 als Chefarzt in der Lungenheilstätte "Vollmar-Stiftung" in Trzebiechów tätig. Er war an der Geschichte des Kreises Züllichau-Schwiebus sehr interessiert und gründete bereits 1921 in Züllichau einen Heimatkunde-Verein. Er beschäftigte sich auch unter anderem mit der Geschichte des Dorfes Trebschen und dem früheren Sanatorium. So kam es, dass sich im Nachlaß meines Großvaters alte Fotos und schriftliches Material über die Entwicklung des Sanatoriums Trebschen befunden haben.

Im April 2002 las ich einen umfangreichen Bericht in der Zeitung über die Einweihung der restaurierten "Villa Esche" in Chemnitz, ein Gesamtkunstwerk des in Europa einflussreichsten Jugendstil-Künstlers Henry van de Velde aus Belgien. Die Einweihung als Museum nahm der damalige Bundespräsident Rau vor. Und mit dieser Berichterstattung begann die Wiederentdeckung der Jugendstil-Kunst von Henry van de Velde in Trzebiechów!

Ich erinnerte mich an die Berichte und Unterlagen meines Großvaters und wurde neugierig!

Von vielen Besuchen in Trzebiechów kannte ich das jetzige Altersheim seit 1977, kam jedoch nie auf die Idee, die Innenarchitektur aus kunsthistorischer Sicht zu betrachten.

Ich fuhr dann im August 2002 nach Trzebiechów, um zusammen mit dem damaligen Direktor des Altersheimes zu sehen, ob der Innenausbau des früheren Sanatoriums möglicherweise von Henry van de Velde stammt. Nach einer weiteren Besichtigung im November 2002 mit Frau Prof. Dr. Rita Kielstein, der Präsidentin der Europäischen Vereinigung der Freunde Henry van de Veldes in Gera, Deutschland, und in Anwesenheit des Landrates von Zielona Góra, Herrn Krzysztof Romankiewicz, wurde die Vermutung bestätigt, dass Henry van de Velde einst in Trebschen tätig gewesen ist.

Es begannen dann die weiteren Kontakte zu Architektur-Professor Smigielski von der Universität Zielona Góra und zu Frau Bielinis-Kopec von der Denkmalschutz-Behörde. Alle Kontakte wurden sehr gut durch Bürgermeister Jeschke aus Schenkendöbern, der Partnerschaftsgemeinde von Trzebiechów, unterstützt. In der Folgezeit fanden verschiedene Besprechungen in Trzebiechów statt, die dazu geführt haben, dass eine Konferenz-Veranstaltung am 23.10.2003 in der ehemaligen Reithalle des Schlosses stattgefunden hat, bei der die Öffentlichkeit, anwesende Fachleute aus Belgien, Deutschland und Polen und die Presse erstmalig nach 100 Jahren die Kunst Henry van de Veldes präsentiert worden ist. Denn die Sensation an der ganzen Sache ist, dass Henry van de Velde weder in seinem Werkverzeichnis noch in seiner Biographie das Sanatorium Trebschen verzeichnet hatte! Die Veranstaltung stand unter der Schirmherrschaft von Frau Jolanta Danielak, Vize-Marschall des Senats Polen, und dem Botschafter des Königreichs Belgien in Warschau, Herrn Bruno Nève de Mévergnies.

Überraschend fand ich in einem Archiv Briefe von Henry van de Velde, die er an die Bauherrin, die Prinzessin Marie Alexandrine Reuss, geschrieben hatte und in denen es um Baudetails des Sanatoriums ging. Der Auftrag des Sanatoriums gehörte zu van de Veldes ersten Aufträgen zu Beginn seiner erfolgreichen Schaffenszeit in Weimar (1902-1917) parallel mit dem Umbau des "Nietzsche-Archivs" und dem Neubau der "Villa Esche" in Chemnitz. 1903 wurde das Arzthaus fertiggestellt und 1905 das Sanatorium seiner Bestimmung übergeben.

Die über 100 Jahre sich überraschend gut erhaltene Bausubstanz veranlasst zuversichtlich zu sein für die bevorstehenden Restaurierungsmaßnahmen. Das Ziel ist, das gemeinsame Kulturerbe von Deutschen und Polen zu erhalten und zu pflegen - und auch Belgien ist in diesem europäischen Gemeinschaftswerk dank des genialen Universalkünstlers Henry van de Velde mit beteiligt.

Das sollte ein gutes Gelingen für die Zukunft bedeuten!

Erwin Bokhorn von der Bank

   
   
 
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