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dr Brigitte Reuter

 

 

 

   
 
"Sanatorium in Trzebiechów. Vergleich und Analyse der Innenausstattung von Henry van de Velde" - Dr. Brigitte Reuter - Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg
 

Nr. 1 Titelbild

Das Sanatorium in Trebschen - Vergleich und Analyse einer Innenausstattung von Henry van de Velde, 1902 - 1904

Nr. 2 Prinzessin Reuß

"Wenn ich damals schon die Prinzessin Reuß, die Schwester des Vaters von Wilhelm Ernst gekannt hätte, so hätte sie mich vor dieser raschen Entscheidung gewarnt." So erinnerte sich Henry van de Velde in seinen Memoiren "Die Geschichte meines Lebens" an Marie Alexandrine Prinzessin von Reuß - Köstritz, die Auftraggeberin des Sanatoriums in Trebschen. Aus diesen Worten spricht nicht nur seine Enttäuschung über Weimar, das er während des 1. Weltkrieges als Ausländer geschmäht und finanziell ruiniert in Richtung Schweiz verlassen musste, sondern auch seine hohe Meinung von der Unabhängigkeit und sozialen Intelligenz seiner ehemaligen Auftraggeberin.

Durch die Tätigkeit von Henry van de Velde für ihren Neffen, der 1901 als Großherzog die Regierung in Sachsen - Weimar übernommen hatte, war die Prinzessin Reuß auf die avantgardistische Kunst und Architektur des belgischen Jugendstilkünstlers aufmerksam geworden. Eher unzufrieden mit den konventionellen historistischen Bauformen ihres Architekten Max Schündler aus Zwickau bat die Prinzessin zum Jahresende 1902 Henry van de Velde die Innengestaltung des Sanatoriums, zu übernehmen.

Nr. 3 Henry van de Velde in seinem Atelier und gemeinsam mit seiner Familie

Für van de Velde war Trebschen der erste Privatauftrag von einem Mitglied des Hochadels. Seine Auftraggeber stammten bisher aus dem wohlhabenden Bürgertum und dem niederen Adel. Ohne Zweifel war Trebschen eine große Ehre für den Künstler, die ihn auf eine Anerkennung durch die eher konservativen Hofkreise hoff lassen konnte.

Eine Frau zu Beginn des letzten Jahrhunderts im wilhelminischen Kaiserreich als Auftraggeberin für einen so umfangreichen und teueren Auftrag! Der erhaltene Briefwechsel zeigt uns, dass es allein die Prinzessin Reuß war, die das Zusammenwirken aller Beteiligten koordinierte, die Rahmenrichtlinien festlegte und die endgültigen Entscheidungen traf. War dies ungewöhnlich für van de Velde? Nein! Ganz und gar nicht. Im Gegenteil. Es scheinen sogar besonders Frauen gewesen zu sein, die sich durch van de Veldes Kunst angesprochen fühlten und die ihn Zeit seines Lebens maßgebend unterstützten. So erhielt van de Velde seinen allerersten Auftrag für die Innenausstattung eines Wohnhauses im Jahr 1894 in Brüssel von Irma Sethe, seiner späteren Schwiegermutter. Nr. 4 Auf dem Foto sieht man die ganze Familie Sethe in Brüssel. Im Zentrum sitzt Irma Sethe, davor Maria, die spätere Frau von Henry van de Velde.

Eine wichtige Rolle spielte auch Elisabeth Förster - Nietzsche, Nr. 5 die Schwester des berühmten Philosophen Friedrich Nietzsche. Sie holte van de Velde 1902 von Berlin nach Weimar, wo sie ihm den Auftrag für die Innenausstattung des Nietzsche Archivs übertrug. Und nach dem 1. Weltkrieg ermöglichte ihm Helene Kröller-Müller Nr. 6 mit dem Bau eines Museums für ihre weltberühmte Vincent van Gogh Sammlung eine neue künstlerische Perspektive in den Niederlanden. Und diese drei Frauen sind nur einige wenige Beispiele von vielen.

Soweit wir bis heute wissen, ist Trebschen das einzige Sanatorium, das von Henry van de Velde ausgestattet wurde. Werfen wir einen Blick auf ein beeindruckendes Lebenswerk.

Insgesamt hat Henry van de Velde mehr als 300 Aufträge ausgeführt, Nr. 7 vom kleineren Einzelauftrag, wie etwas das Tafelservice für die Hochzeit des Großherzogs Wilhelm Erst im Jahr 1903, bis zur großen Architekturanlage, wie zum Beispiel das Werkbundtheater in Köln im Jahr 1914.

Auf der Suche nach Aufträgen aus dem Bereich des Gesundheitswesens, die man mit Trebschen vergleichen könnte, führt die Spur zunächst nach Brüssel, wo Van de Velde im Jahr 1898 eine Innenausstattung für die Wohnung und die Praxis seines Arztes Dr. Clerghs entwarf. Nr. 8 Hier im Bild sehen Sie den Untersuchungsraum.

Wesentlich später, Anfang der 1930er Jahre entwarf van de Velde in der kleinen flämischen Stadt Astene ein Wohnhaus und eine Privatklinik für Dr. Martens. Nr. 9 Ganz im schlichten Stil der Zeit in den Formen der Neuen Sachlichkeit gehalten, lassen sich die beiden flach gedeckten Gebäude jedoch nicht mit Trebschen vergleichen.

Nr. 10

Das Sanatorium Trebschen zeigt dagegen die typische Architektur des späten Historismus mit einer eher pragmatisch, denn künstlerisch anspruchsvollen Mischung verschiedener repräsentativer Stilformen der europäischen Neo - Renaissance. Van de Veldes Aufgabe war es, seine damals sehr moderne Inneneinrichtung im sogenannten "Neuen Stil" in die eher etwas konventionelle Außenarchitektur von Max Schündler zu integrieren.

Konnte ein Künstler, der weiten Kreisen vor allem durch seine Gesamtkunstwerke wie die Villa Esche in Chemnitz oder den Hohenhof in Hagen bekannt ist, damit zufrieden sein? Oder war dies nur ein Auftrag zweiter Klasse für ihn?

Auch bei der Beantwortung dieser Frage hilft ein Blick auf die Statistik seiner Werke. Henry van de Velde hat insgesamt 48 Neubauten entworfen. Dabei handelt es sich zumeist um Wohnhäuser, die als so genannte "Gesamtkunstwerke" aus einem künstlerischen Guss, von innen nach außen, vom Gartentürchen bis zum Sofakissen, komplett von ihm entworfen worden sind. Berühmte Beispiele sind zum Beispiel seine eigenen vier Wohnhäuser, die er im Laufe seines Lebens für sich und seine Familie errichtete. Von Haus Bloemenwerf in Brüssel, über das Haus Hohe Pappeln in Weimar zum Holz - Fertighaus De Tent in Wassenaar bis zum Haus De Tervuren wieder in Brüssel.

Wesentlich zahlreicher als die Architekturen waren jedoch seine Aufträge, die sich lediglich auf die Innenausstattung einer Wohnung oder eines Gebäudes bezogen. Das Werkverzeichnis zählt inzwischen mehr als 100 Innenausstattungen, die sich vor allem in den Ländern befinden, in denen van de Velde gelebt hat, also in Belgien, Deutschland und Holland. Darunter so hervorragende Arbeiten, wie die Innenausstattung für das Folkwang Museum in Hagen und die Innenausstattung für das Nietzsche Archiv in Weimar. Nr. 11 Beide Aufträge sind in etwa zur gleichen Zeit wie Trebschen ausgeführt worden und in beiden Fällen handelt es sich um eine Ausstattung, die sich in eine konventionelle historistische Außenarchitektur perfekt einpasst. Dies wird von der begeisterten Fachliteratur häufig vergessen zu erwähnen. Man schwärmt ganz unvoreingenommen vom "Nietzsche - Archiv von Henry van de Velde".

Trebschen zeigt sowohl in funktionaler, wie auch ästhetischer Hinsicht große Ähnlichkeiten mit dem Museum Folkwang und dem Nietzsche Archiv. Dies lohnt es sich näher zu betrachten.

Nr. 12

Das so genannte Arzthaus in Trebschen wurde während der 1. Hälfte des Jahres 1902 als Arbeits - und Wohnhaus für den leitenden Arzt des Sanatoriums Dr. Oskar Müller ausgestattet. Im Hochparterre waren die Sprechzimmer, ein Schwesternzimmer und die Arbeitszimmer der Ärzte untergebracht. Auch die Räume für die physikalischen Untersuchungs - und Behandlungsmethoden, ein Röntgenkabinett, ein Massageraum sowie die Bibliothek des Chefarztes befanden sich dort.

Nr. 13

Hinter den historischen Formen des großen Eingangportals begegnet man unmittelbar der modernen Formenwelt des Jugendstilkünstlers und fühlt sich im nächsten Augenblick nach Weimar zurück versetzt. Schauen Sie selbst.

Nr. 14

Bereits die großen Messingbeschläge des Windfanges erinnern an das Nietzsche Archiv. Über eine kleine Treppe erreicht der Besucher dann den elegant gestalteten Eingangsbereich zu den Untersuchungsräumen im Hochparterre. Vom Treppenhaus distanziert, ist die Eingangstür in eine reich verglaste und somit lichtdurchlässige Trennwand eingefügt. Anklänge an das Weimarer Nietzsche-Archiv werden wach. Nr. 15 So sind nicht nur die markanten Messingbeschläge stilistische Pendants, sondern ebenso auch die kubische Lampe über der Tür.

Nr. 16

Die beiden oberen Stockwerke des Arzthauses, deren Räumlichkeiten durch eine große Wohndiele zusammengefasst werden, dienten dem Chefarzt als Privatwohnung. Heute würde man diese Raumkomposition als Maisonette bezeichnen. Sie war um 1900 sehr ungewöhnlich und ist auch im Werk von van de Velde so bisher nicht bekannt.

Das Treppenhaus ist eng und führt steil in die Höhe. Henry van de Velde gelang es hier eine seiner charakteristischen Treppe zu verwirklichen, die nicht nur durch ihr schlichtes Geländer besticht, sondern vor allem durch die gekonnt geschwungenen Treppenabsätze. Den Briefen van de Veldes zufolge sollte das Treppenhaus ursprünglich dreiviertel hoch vertäfelt werden. Wie im Nietzsche Archiv sollte darüber lediglich ein schlichter Schablonenfries die Wand zieren. Eine Täfelung lässt sich heute im Treppenhaus nicht finden. Die Restaurierungsarbeiten haben aber einen blaugrauen Schablonenfries im oberen Teil der Wand freigelegt.

Warum zeigt das Arzthaus so große formale Ähnlichkeiten mit dem Nietzsche Archiv? Leider findet sich zu diesem Thema kein Hinweis in den Briefen van de Veldes. Wir müssen uns deshalb eigene Gedanken dazu machen.

Beide Innenausstattungen sind in etwa zur gleichen Zeit entstanden. In den Jahren 1901 - 04. Dies ist ein erster Hinweis, dient natürlich aber noch nicht als Erklärung. Des Weiteren handelt es sich bei der Außenarchitektur sowohl des Nietzsche Archivs wie auch in Trebschen um eine etwas konventionelle, damals weit verbreitete Villenarchitektur des späten Historismus. Darüber hinaus besitzen beide Gebäude eine vergleichbare Trennung ihrer Funktionsbereiche in öffentliche und private Stockwerke. Sowohl die Villa Silberblick mit dem Nietzsche Archiv wie auch das Arzthaus in Trebschen besaßen ursprünglich ein öffentlich zugängliches Hauptgeschoss im Hochparterre und einen privaten Wohnbereich im Obergeschoss.

Den Archivräumen in Weimar werden die Untersuchungsräume in Trebschen funktional und daraus abgeleitet, ästhetisch gleichgesetzt.

Aber in Trebschen findet man ja nicht formale Ähnlichkeiten mit dem Nietzsche Archiv. Nr. 17 Wir entdecken im Arzthaus auch Anklänge an die Innenausstattung des Museums Folkwang in Hagen - hier im Bild -, das von van de Velde kurz vorher ausgeführt wurde. Folgen wir den Stufen im Treppenhaus des Arzthauses aufwärts, gelangt man zu einer weiteren verglasten Eingangswand, die in das Obergeschoß führt. Dieses Architekturelement ähnelt stark dem Nebentreppenhaus im Folkwang Museum, das leider Ende der 1970er Jahre abgerissen wurde. Auf dem historischen Foto sieht man die große Ähnlichkeit sehr deutlich.

Nr. 18

Um eine zentrale zweigeschossige Wohndiele gruppiert befanden sich die privaten Wohnräume von Dr. Müller. Auf unterer Ebene erschlossen sich von dort aus das Speisezimmer und die beiden Wohn - und Schlafzimmer. Fremdenzimmer, Kammern und die Küche waren über die Galerie erreichbar. Die Bedeutung dieser Halle war dem Architekten und Designer nur zu gut bewusst. Er selbst hatte 1895 in seinem eigenen Haus Bloemenwerf in Uccle, 1901 in der Villa Leuring in Scheveningen

Nr. 19 und 1902/03 der Villa Esche in Chemnitz Nr. 20 eine zentrale Oberlichthalle integriert und diese ausgestattet. Als Zentrum und Knotenpunkt sollte sich gerade dort das private, aber auch das repräsentative Leben abspielen. Die Diele des Arzthauses erhielt demzufolge einen Kamin Nr. 21 und eine gemütliche Sitzecke mit Einbaumöbeln und Regalen Nr. 22. Der Boden wurde mit Fliesen bedeckt und die Wand vertäfelt. Für das Oberlicht sah van de Velde elektrische Lampen und kleine Reflektoren in den Ecken vor.

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Während der zweiten Hälfte des Jahres 1903 beschäftigte sich van de Velde mit den Entwürfen für die Innenausstattung und die Möbel des Patientengebäudes. Das dreigeschossige Hauptgebäude beherbergte die Gesellschafts - und die Verpflegungsräume sowie die annähernd 30 Patientenzimmer des Sanatoriums.

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Wie beim Arzthaus wurde auch der repräsentative Haupteingangsbereich des Patientengebäudes von dem Architekten Max Schündler entworfen. Hinter dem Windfang begegnet der Besucher der Innenausstattung von van de Velde, die sich anmutig in das vorgegebene Raumprogramm und die bereits vorhandenen Einbauten integriert und der etwas steifen und eher konventionellen Architektur Max Schündlers einen ganz eigenen Schwung, eine gewisse Eleganz verleiht.

Um in die weite Halle im 1. Stock zu kommen, entscheidet sich nicht nur der van de Velde Jünger statt des Aufzugs gerne für die breiten, elegant schwingenden Treppenstufen, die von einem expressiv geformten Treppengeländer begleitet werden.

Dessen abstrakt lineare Ornamentik wirkt auf den ersten Blick überraschend neu und ungewohnt, auf den zweiten Blick weist sie dann aber doch die vertraute Handschrift van de Veldes auf, wie wir sie zum Beispiel aus seiner Werbegrafik und Textilentwürfen her kennen.

Nr. 25

Hier links sehen Sie das berühmte Plakat für die Eiweiss - Nahrung der Firma Tropon in Mühlheim an der Ruhr.

Nr. 26 Und hier sehen Sie links den Dekorationsstoff "Dahlia".

Im Bereich der Treppenanlagen van de Veldes ist dieses Ornament allerdings sehr ungewöhnlich. Wie aus einem Brief van de Veldes vom August 1903 hervorgeht, hatte die Prinzessin Reuß einen entscheidenden Anteil bei der Entscheidung für dieses Motiv. Der Künstler selbst hätte wohl schlichtere Formen bevorzugt. Ein Blick auf andere Treppenhäuser von van de Velde bestätigt diesen Eindruck.

Nr. 27

Am ehesten ähnelt das Geländer in Trebschen noch dem Haupttreppenhaus des Folkwang Museums. Das gleiche wellenförmig ausbauchende und sich rythmisch wiederholte Bewegungsmotiv. Die Wände der Treppenanlage wurden mit einer wellenförmigen Schablonenmalerei geschmückt, die das Motiv des Geländers formal spiegelt und den Bewegungsablauf der Treppe akzentuiert. Nr. 28 Dieses Motiv ist nahezu identisch mit dem Lambris im Treppenhaus des Folkwang Museums. Wir wissen aus einem Brief von van de Velde, dass er zunächst auch in Trebschen eine Verzierung aus Stuck oder Holz, eben einen so genannten Lambris, plante. Später hat sich die Prinzessin Reuß wohl offensichtlich für die kostengünstigere Schablonenmalerei entschieden. Eine formale Ähnlichkeit, die vielleicht sicher kein Zufall ist, Ein Museum ist ein öffentliches Gebäude, als Vorbild auch sehr gut für das Patientengebäude mit seinen großzügig geschnittenen Raumfolgen und zahlreichen großen Gesellschaftszimmern eignet

Wie alle Einbauten und Möbel aus Holz wurde auch die dreigeschossige Treppenanlage des Hauptgebäudes durch die Firma Scheidemantel in Weimar ausgeführt und vor Ort montiert. Die Beleuchtungskörper, die Blumengitter und die schmiedeeisernen Türen für den elektrischen Aufzug der renommierten Firma August Kühnscherf & Söhne, lieferte die Hofkunstschlosserei Otto Bergner aus Berka bei Weimar. Nr. 29 Der alte Aufzug ist heute natürlich nicht mehr erhalten. Das einzige - uns bekannte - Foto des originalen Aufzugs oben rechts zeigt leider nur einen ganz kleinen Teil des Bogenfeldes der Tür nach einem Entwurf von van de Velde. Wie das leider nicht mehr vorhandene Bogenfeld einmal ausgesehen haben könnte, verrät ein Vergleich mit dem 1895 in Berlin entstandenen Bogenfeld aus Holz in der Galerie Reimer und Keller. Nr. 30 Das zentrale Schleifenmotiv muss man sich in Trebschen nach oben ausgerichtet vorstellen.

Nr. 31

Der wohl schönste Raum des Sanatoriums ist das große Gesellschaftszimmer, das links von einem Damen - und rechts von einem Herrenzimmer flankiert wurde. Es wurde von van de Velde in zwei Bereiche unterteilt. Vorne befand sich der Lesesaal mit größeren Lese -Tischen, kleinen Beistell - Tischchen sowie zahlreichen Stühlen aber auch einigen bequemen Sesseln. Der hintere Teil war ursprünglich als Wintergarten eingerichtet, der durch eine verglaste Eisenkonstruktion vom Lesebereich abgetrennt war.

In der Zeitschrift die Innendekoration wurden diese schönen Räume 1905 veröffentlicht. Daher sind wir in der glücklichen Lage, historische Aufnahmen mit der originalen Ausstattung zeigen zu können. Betrachten wir sie ein bisschen näher.

Auf dem Foto sehen wir einen großen Tisch in der Mitte, umgeben von schlichten Stühlen mit Sitzen aus Korbgeflecht. Henry van de Velde beschreibt diese hellgrau lackierten Stühle aus Rotbuchenholz in einem Brief an die Prinzessin Reuß als pflegeleicht und preisgünstig. Solche Stühle seien besonders in Flandern und Holland in Mode.

Nr. 32

Genau so eine Sitzgruppe hat van de Velde auch für das Speisezimmer im Nietzsche Archiv in Weimar entworfen. Die von der Firma Scheidemantel ausgeführten Möbel kann man heute noch dort besichtigen.

Achten Sie bitte auf den Türgriff in der verglasten Trennwand im Hintergrund. Er zeigt das gleiche Motiv wie der Windfang im Arzthaus.

Nr. 33 . Hier sieht man zwei bequeme Sessel. Dies ist ein sehr beliebtes Möbel von van de Velde, das von zahlreichen Auftraggebern - auch mit kleinen Abänderungen - bestellt worden ist. So kennen wir diesen Sessel auch als Schreibtischsessel für Dr. Ernst Wittern in Lübeck, für das Ehepaar Münchhausen oder für den Entwurf des Landesmuseums Weimar. Nr. 34 Hier im Bild. Auch das Bücherregal findet sich - häufig mit kleinen Varianten, je nach Wunsch des Auftraggebers - in vielen Innenausstattungen van de Veldes wieder.

Nr. 35

Auf dem Foto von dem Wintergarten erkennt man zwei dunkel gebeizte Holzstühle mit Sitzen aus Korbgeflecht und einen hohen weiß lackierten Beistelltisch. Diese leichten Möbel wurden im Garten, aber auch auf Veranden und Terrassen, wie auch Wintergärten und offenen Hallen benutzt. In dem kleinen Ort Tannroda in Thüringen hergestellt, findet man sie in zahlreichen Varianten im Werk van de Veldes.

Nr. 36

Neben den Gesellschaftsräumen im Hauptgebäude hat van de Velde auch die Türen der Patientenzimmer im ersten und zweiten Geschoß entworfen. Auffallend sind hier besonders die schönen Türumrahmungen. Im 1. Geschoß - im Bereich der lauten Aufenthaltsräume - sind die Patientenzimmer jeweils durch eine Doppeltüre und einen Windfang abgeschirmt. Max Schündler berichtet von einem Kostenvoranschlag der Firma Scheidemantel, in dem von insgesamt 48 Türen die Rede ist. Formal verwandt sind sie den zeitgleich entstandenen Türen im Folkwang - Museum in Hagen und in der Villa Craene in Brüssel. Hier im Bild. Nr. 37

Zum Schluss stellt sich die Frage nach dem Stellenwert des Sanatoriums Trebschen im Gesamtwerk von Henry van de Velde. Nr. 38

Der Künstler selbst gibt uns einen entscheidenden Hinweis zur Beantwortung dieser Frage. Nach unseren Erkenntnissen besuchte er die Baustelle in Trebschen sogar zwei Mal persönlich. Der erste, etwas längere Besuch in Trebschen fand im März 1903 statt. Er diente der Besichtigung der Örtlichkeiten und den persönlichen Absprachen vor Ort mit dem Architekten Max Schündler und der Prinzessin Reuß. Fast ein Jahr später reiste van de Velde dann noch einmal den langen Weg von Weimar nach Trebschen, um die abschließenden Arbeiten selbst zu beaufsichtigen. Dabei ging es ihm vor allem darum, den farblichen und materiellen Gesamteindruck zu überprüfen und gegebenenfalls neu abzustimmen. Zusammen mit den zahlreichen Briefen, die zwischen ihm und seiner Auftraggeberin hin und her wechselten, erkennen wir daraus den hohen Stellenwert, den van de Velde diesem Auftrag zugewiesen hatte. Zwei Besuche einer so weit entfernten Baustelle zeigen ein außergewöhnliches Engagement des Künstlers für diesen Auftrag und seine hohe Wertschätzung für seine Auftraggeberin.

In Trebschen können wir heute wieder eine große künstlerische Leistung van de Veldes und seiner Werkstätten bewundern. Wenngleich die Ausführung offenbar kostengünstiger ausfallen musste, kann sich das Interieur von Trebschen durchaus mit den zeitgleich entstandenen Innenausstattungen für das Nietzsche-Archiv in Weimar, das Folkwang Museum in Hagen und die Villa Esche in Chemnitz messen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

   
   
 
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